Modernes Bacchus-Gelage bei Raf Simons
Die Inspiration für Raf Simons neueste Kollektion stammt vom Berliner Kultspielfilm Christiane F., das Set jedoch war nach der Idee eines modernen Bacchusfests gestaltet. Gezeigt wurde durch und durch moderne Couture, voller Harmonie.
Couture bot Simons in der Verwendung hochwertiger Stoffe und Veredelungsschritte, unter Einsatz herrlicher Schnitte und grandioser Drapier- und Stanzeffekte. Die Show bot hochexperimentelle Ansätze mit tragbarer, cooler, eleganter und zeitgenössischer Mode.
An einem nasskalten Mittwochabend lud der Designer in einen nur schwach beleuchteten Show-Space im New Yorker Stadtteil West Side. Seine Models defilierten auf dem Laufsteg um eine Essensszene herum, in ihrer Mitte häuften sich Schüsseln mit Zitronen, Äpfeln, Birnen und Schokolade, riesige Käselaibe, bergeweise Bauernbrot und mehrere Hundert Weinflaschen von Piper bis hin zu kalifornischem Shiraz. Wie auch die Kollektion von Raf Simons zeigte das Dekor einen deutlichen Retro-Einschlag.
Der Designer erfand ein gänzlich neues, spannendes Kleidungsstück mit Argyle-Muster, eine Mischung aus einem Pullover und einem Schal. Seine wie Umhänge gestalteten Mäntel, teils in Sherlock-Holmes-Karomuster, waren grandios und überzeugten mit ihren 30 cm breiten Seitentaschen sowie dem Innenfutter aus Boxershort-Seide. Simons kombinierte dramatische Jackenmodelle in Übergröße mit langen Lederhandschuhen à la Femme Fatale. Weiter bot der Designer Hightech-Uhren und Kapuzen-Wams. Diese zeigte er in Kombination mit schmalen Turnhosen, die in Gummistiefeln mit gezackten Schnürsenkeln stecken. Das Ergebnis ist ein gepflegter, eleganter Streetlook. Simons "Youth in Motion"-Show wurde von Theater-Lichtanlagen und Techno-Musik in Szene gesetzt, mit Sounds aus Russland, Belgien und Chicago.
Rund die Hälfte der Looks wurde von Aufdrucken in fetten Lettern geziert – darunter die Schriftzüge Drugs, XTC und LSD. Auf zahlreichen Tops und Rückenpartien waren außerdem Bilder der Christiane-F-Schauspielerin Natja Brunckhorst aufgedruckt.
FashionNetwork.com wollte von Simons wissen, wie ihn der Film beeinflusst hatte. Seine Antwort: "Nun, zunächst einmal ließ ich die Finger von Drogen". Der heute 50-Jährige sah den Kultfilm über die drogenabhängige Jugendliche Christiane F. erstmals im Alter von 14 Jahren. Der Film ist eine Studie des Drogen- und Prostitutionsmilieus in Berlin und zeigt den Weg einer Jugendlichen in die Heroin-Abhängigkeit.
"Jedes Outfit hatte eine Nummer, wie in der Couture, doch wurden sie nicht in der richtigen Reihenfolge gezeigt. Das Set zeugte von der nordeuropäischen Art, sich von Dingen inspirieren zu lassen, und diese Einflüsse in einem neuen Ganzen zusammenzuführen. Wenn das ein Maler oder ein Filmregisseur kann, wieso nicht auch ein belgischer Kreativdirektor? "Früher schuf ich, was jemand 'Interzones' nannte – eine Umgebung, die nur schwer zu definieren ist. So war dies nun wie ein Gemälde und ein Club und eine Couture Show, alles in einem. Ich mag die Vorstellung von Dingen, die man nicht erklären kann. In der Mode wird heute zu viel analysiert, aber ein kreatives Tier muss angstfrei arbeiten und denken können", sinnierte der Designer. Simons will die Einnahmen aus dieser Kollektion Organisationen spenden, die Menschen bei der Überwindung der Drogenabhängigkeit helfen.
Die Show wurde als das erste Highlight eines bislang wenig inspirierenden 10-Tages-Programms in New York angekündigt, und machte diesem Versprechen alle Ehre. Simons zeigte einmalige und unterschiedliche Designs und machte ein großartiges Fashion Statement. Auch der zu diesem Anlass servierte Wein ließ sich sehen.
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